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Unter Palmen #01 - Die Personengesellschaft – Die „Goldene Kuh“ zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung?
Die Auswanderung aus steuerlicher Sicht

03.06.2022
Eine Personengesellschaft bietet vor dem Hintergrund eines geplanten Wegzugs eines Gesellschafters ins Ausland grundsätzlich den Vorteil, dass eine Wegzugsbesteuerung, wie sie im Falle vom Wegzug eines GmbH-Gesellschafters nach § 6 AStG (Außensteuergesetz) eintritt, in der Regel (weitgehend) vermieden werden kann.
Die Betonung liegt jedoch auf „kann“. Denn es sind eine Vielzahl von Faktoren zu beachten, die im Einzelfall völlig unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen können.
Im Mittelpunkt der zu beachtenden Regelungen stehen die Vorschriften zur so genannten Steuerentstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3,4 EStG (für einzelne Wirtschaftsgüter) und nach § 16 Abs. 3a EStG (für sämtliche Wirtschaftsgüter eines Betriebs oder eines Teilbetriebs).
Diese Regelungen sehen vor, dass, wenn im Falle einer theoretischen Veräußerung von Wirtschaftsgütern oder kompletten Betrieben (nach der Auswanderung) das Besteuerungsrecht Deutschlands ausgeschlossen oder zumindest beschränkt wird, im Zeitpunkt der Auswanderung eine „fiktive Veräußerung“ vorgenommen werden muss (durch Entnahmefiktion oder Fiktion der Aufgabe des Gewerbebetriebs). Das bedeutet vereinfacht: Wenn Deutschland den Gewinn aus einer eine Veräußerung der Gesellschaftsanteile nicht mehr besteuern kann, wird diese Besteuerung zum Zeitpunkt des Wegzugs vorgenommen.
Nur wann genau ist denn das Besteuerungsrecht Deutschlands aus der theoretischen Veräußerung beschränkt oder ausgeschlossen?
Hierzu ist vor Allem erforderlich zu prüfen, ob mit dem Wegzug des Gesellschafters der Personengesellschaft im Ausland eine Betriebstätte begründet wird oder gar der gesamte Betrieb „mitzieht“. Der Betriebstättenbegriff richtet sich dabei grundsätzlich nach § 12 AO oder im Falle eines Zielstaats mit dem ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht und soweit dieses anwendbar ist, nach dem darin enthaltenen Betriebstättenbegriff.
Nachfolgende Beispiele, zeigen vereinfacht anhand ausgewählter Tatbestände, wie die Beurteilung des Vorliegens einer Betriebstätte funktioniert.
Beispiel 1: Wegzug eines Gesellschafters einer Personengesellschaft
a) ausschließlich Betriebsstätte in Deutschland
Die Geschwister „B“ und „C“ betreiben ein Friseurgeschäft als OHG in der Innenstadt von München. Sie haben zwei Angestellte, eine Friseur-Meisterin und einen Auszubildenden. B und C schneiden seit 2 Jahren bereits selbst keine Haare mehr und kümmert sich eigentlich nicht weiter um den operativen Betrieb, außer es sind wichtige Entscheidungen zu treffen, wie z.B. die Renovierung des Friseur-Ladens, der sich in einem kleinen Haus befindet, das der OHG gehört.
Nun zieht B nach Ungarn an den Balaton und genießt dort das angenehme Klima. Bis wichtige Entscheidungen, die laut Gesellschaftsvertrag nur gemeinsam mit C getroffen werden können (z.B. Renovierung des Geschäfts), hat er mit dem Friseurladen kaum noch etwas zu tun.
In diesem Fall ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens in Deutschland das Vorliegen einer Betriebstätte in Deutschland zu Folge hat, da sich hier die „Werkstätte“ oder „Fabrikationsstätte“ des Friseurladens befindet, für die keinerlei Ausnahmetatbestände vorliegen. Darüber hinaus ist jedoch zu prüfen, ob ein Teil der Tätigkeit des B zu einer Betriebsstätte in Ungarn führt.
Hierbei ist zum einen zu prüfen ob:
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B in Ungarn eine geschäftliche Tätigkeit entfaltet und hierzu eine feste Geschäftseinrichtung nutzt
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Ggf. an diesem Ort sich eine Geschäftsleitungsbetriebstätte befindet
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B an diesem Ort ggf. nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten für die OHG ausübt
Diese abzuprüfenden Tatbestände haben es in der Praxis oft in sich, da hierbei oft Abgrenzungsprobleme auftauchen.
Zum Beispiel:
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ob der notwendige Beschluss des B für die Renovierung bereits über die Hilfstätigkeit hinausgeht und eine Geschäftsleitungsbetriebstätte begründet.
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Ob seine Vertretungsbefugnisse aufgrund seiner Rechtstellung als OHG Gesellschafter per se schädlich ist
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Hat B überhaupt eine feste Geschäftseinrichtung, wenn er nicht einmal ein festes Arbeitszimmer hat?
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Wie wäre vorzugehen, wenn B fast das ganze Jahr mit dem Wohnmobil unterwegs wäre und eigentlich nirgends ortsgebunden ist
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Wo bei Geschäftsmodellen im E-Commerce Bereich sich beispielsweise die Betriebstätte eines Online-Shops befindet u.v.m.
Da stets die Gesamtumstände des Einzelfalls zu betrachten sind, kann zu solchen Themen schwer eine pauschale Aussage getroffen werden.
Sofern jedenfalls keine Betriebsstätte anzunehmen ist, steht betreffend der laufenden Einkünfte im vorliegenden Beispiel entsprechend Artikel 7 DBA-Ungarn das Besteuerungsrecht vollständig Deutschland zu. Dann ist zu prüfen, ob die spätere Veräußerung des Friseurgeschäfts ggf. eine Beschränkung oder einen Ausschluss des Besteuerungsrechts Deutschlands auslöst. Für das Gebäude stünde nach Artikel 6 Abs. 1,3 DBA Ungarn das Besteuerungsrecht eines Verkaufs Deutschland zu. Für das bewegliche Betriebsvermögen steht ebenso gemäß Artikel 13 Abs. 3 DBA-Ungarn das Besteuerungsrecht Deutschland zu, sodass keine Beschränkung oder Ausschluss des Besteuerungsrechts vorliegt.
Im Ergebnis würde keine „Wegzugsbesteuerung“ oder konkreter gesagt Entstrickungsbesteuerung vorgenommen werden müssen.
Grundsätzlich besteht in diesem Fall jedoch die Unsicherheit, dass die Geschäftsführungsbefugnis und die gesellschaftsrechtliche Vertretungsbefugnis eines OHG Gesellschafters per se eine "leitende Tätigkeit" darstellen könnte, die eine Hilfstätigkeit ausschließt. In der Literatur bestehen hierzu teils unterschiedliche Auffassungen. Um diese Rechtsunsicherheit auszuschließen, wäre bspw. eine vorherige „Umwandlung“ in eine KG eine Möglichkeit, bei der der wegziehende Gesellschafter künftig lediglich die Funktion des Kommanditisten ausfüllt.
b) Betriebsstätten in Deutschland und im Ausland
Für den Fall, dass für die Tätigkeit von B eine Betriebsstätte in Ungarn anzunehmen ist, sind die Einkünfte, die diese Tätigkeit betreffen, zu ermitteln und entsprechend der ungarischen Betriebstätte zuzurechnen. Für diesen Fall ist im Rahmen einer Funktionsanalyse zu prüfen, welche Funktion der ungarischen Betriebsstätte zuzuordnen ist und welche Wirtschaftsgüter und Gewinne dieser zuzurechnen sind.
In dem vereinfachten Sachverhalt wird (ohne detaillierte Prüfung) angenommen, dass keinerlei Wirtschaftsgüter der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und allenfalls geringfügige Management-Funktionen durch den B ausgeübt werden. Das hätte zur Folge, dass für die laufenden Einkünfte zwar geringfügige Teile des Gewinns der ungarischen Betriebsstätte zuzurechnen sein können, nicht jedoch etwaige zum Wegzugszeitpunkt nach Ungarn zuzuordnende Wirtschaftsgüter.
Ein solcher Fall ist in der Regel jedoch eher unwahrscheinlich, da oftmals auch immaterielle Wirtschaftsgüter, wie Patent- und Markenrechte, ein Kundenstamm, Know-How oder eine Geschäfts-oder Firmenwert mit den Funktionen des wegziehenden Gesellschafters verhaftet sind, dass diese ggf. einer ausländischen Betriebstätte zuzuordnen sind.
Für das vereinfachte Beispiel würde das bedeuten, dass auch in diesem Fall keine Beschränkung oder Ausschluss des Besteuerungsrechts Deutschlands aus einer theoretischen Veräußerung vorliegt, da der theoretische spätere Verkauf der Wirtschaftsgüter bzw. der Anteile der Personengesellschaft vollständig der deutschen Betriebsstätte zugewiesen wird (Artikel 6 Abs. 1,3 bzw. Artikel 13 Abs. 3 DBA-Ungarn).
Anders ist der Sachverhalt, wenn B und C beschließen in Ungarn eine zweite Filiale zu eröffnen, die B führen soll und im Zuge dessen bspw. ein Teil der Einrichtung nach Ungarn überführt wird. Dann würde sich für den nach Ungarn überführten Teil der Wirtschaftsgüter eine Beschränkung/Ausschluss des Besteuerungsrechts aus einem späteren Verkauf ergeben und die Entstrickungs-Versteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3,4 EStG oder § 16 Abs. 3a EStG (je nach konkretem Sachverhalt) ergeben.
Bei der Beurteilung solcher Sachverhalte stellt die Zuordnung der Wirtschaftsgüter oftmals auch Probleme dar, wenn bspw. Wirtschaftsgüter nicht eindeutig einer Betriebsstätte zugeordnet werden können, wie z.B. wenn es sich um selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter handelt, wie Know-how oder Patente, die standortunabhängig von mehreren Betriebsstätten verwertet werden können. Daneben ist die von der Finanzverwaltung vorgenommene Zuweisungspraxis zur Zuweisung solcher Wirtschaftsgüter zum sog. „Stammhaus“ in Fachkreisen strittig.
Diese vereinfachte Zusammenfassung zeigt, dass die Komplexität der steuerlichen Sachverhalte bei grenzüberschreitenden Wohnsitzverlegungen nicht zu unterschätzen ist und regelmäßig Unterstützung durch Experten im internationalen Steuerrecht erfordert.
Abmilderung der Steuerbelastung aus Liquiditätsperspektive
Das Problem an der Steuerentstrickung oder der Wegzugsbesteuerung ist, dass Steuern zu zahlen sind, ohne dass eine tatsächliche Veräußerung stattfindet, dem Unternehmer also keine liquiden Mittel zufließen. Dieser Umstand wird oft auch als „Dry Income“ bezeichnet.
Um dieses Problem abzumildern hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die zumindest eine (faktische) Stundung bzw. Ratenzahlung der zu zahlenden Steuern ermöglicht.
Hierzu sind, je nach Sachverhalt, die Regelungen des § 4g EStG, § 36 Abs. 5 EStG (bei Personengesellschaften oder Einzelunternehmen) oder § 6 Abs. 4 AStG (bei Kapitalgesellschaften) anwendbar, wonach die zu zahlende Steuer in 5 bzw. 7 Jahren zu entrichten ist.
Wenn Sie Unterstützung bei Ihrer Auswanderung aus steuerlicher Sicht benötigen, kommen Sie gerne auf uns zu.